Generalversammlung der Energiegenossenschaft Vogelsberg eG: Bestandsaufnahmen und Zukunftsorientierung
Sichtlich erfreut zeigte sich der Aufsichtsratsvorsitzende der Energiegenossenschaft Vogelsberg eG (EGV) Ralph Kehl, als er am vergangenen Mittwoch die Genossenschaftsmitglieder nach zweieinhalb Jahren Corona-Pause wieder zu einer Generalversammlung im Bürgerhaus in Romrod begrüßen konnte. Die hohe Resonanz auf die Einladung und das Interesse am Geschehen in der EGV zeige, dass die Genossenschaft vital und aktiv sei, so Kehl, der neben Joachim Arnold (Vorstandsvorsitzender der OVAG) auch zahlreiche Vertreter von Kommunen und befreundeten Energiegenossenschaften sowie Geschäftspartner begrüßen konnte: „Es ist ein gutes Netzwerk entstanden“, freute sich Kehl. Er blickte auf ein arbeitsreiches Jahr zurück, in dem beide Photovoltaikanlagen des Solarparks Ulrichstein in Betrieb genommen wurden.
„Was einer nicht schafft, das schaffen viele“, zitierte Kehl Friedrich Wilhelm Raiffeisen, den Gründer der genossenschaftlichen Bewegung, und lenkte damit die Aufmerksamkeit auf das zehnjährige Bestehen der EGV. „Ein Anlass, um stolz zu sein“, fand Kehl. Man sei vor zehn Jahren mit zwei Zielen zusammengekommen: Sowohl die Förderung von erneuerbarer Energie als auch die Teilhabe der Menschen in der Region an der Wertschöpfung aus erneuerbarer Energie. Inzwischen habe sich die EGV zu einer der größten Energiegenossenschaften im ganzen Land entwickelt und investiere mit ihren knapp über tausend Mitgliedern im zweistelligen Millionenbereich in den Ausbau erneuerbarer Energien. Das Engagement in der Genossenschaft erfolge zum allergrößten Teil ehrenamtlich, führte Kehl weiter aus, man pflege einen konstruktiven, angenehmen Diskurs und habe sich im Lauf der letzten Monate einem Zukunftsprozess zugewandt.
Die Grußworte der Romröder Bürgermeisterin Dr. Birgit Richtberg, die als Hausherrin, aber auch als Gründungsmitglied, sprach, waren voll des Lobes für die Entwicklung der EGV, insbesondere für die Menschen in den Entscheidungsgremien. Klimawandel und Energiewende seien kontrovers diskutierte Themen, so Richtberg, dennoch schreite die EGV auf ihrem Weg in Richtung Energiewende voran – und das gemeinsam mit allen Mitgliedern.
Den Bericht für das Jahr 2020 des Vorstands stellte Vorstandsmitglied Lorenz Kock in Vertretung des erkrankten Vorstandsvorsitzenden und Geschäftsführers Günter Mest vor. Ein Organigramm verdeutlichte zunächst die verschiedenen Unternehmen, die sich unter dem Dach der EGV inzwischen sammeln – allesamt vor dem Hintergrund der wirtschaftlich effizientesten Darstellung der verschiedenen Aufgaben der EGV. Die VOBEG Energie GmbH, die VOBEG Projekt GmbH und die VOBEG Wind GmbH stellte Kock vor und gab direkt im Anschluss auch die Geschäftsergebnisse an, mit denen diese zum Gesamtergebnis der Genossenschaft beitragen. Im Bereich der Photovoltaik konnten mit einer Einspeisung von 5.522.727 kWh 1.011.195 Euro erwirtschaftet werden, im Bereich der Windkraft waren dies 28.782.709 kWh und ein Erlös von 2.294.106 Euro. „Mit dieser Leistung haben wir gleichzeitig mehr als 20.000 Tonnen CO2 eingespart“, führte Kock aus, „das reicht für etwa 9.000 Haushalte und somit für jeden 5. Haushalt im Vogelsbergkreis.“ Die Mitglieder- und Finanzentwicklung stellte Kock als sehr positiv dar: Mit einem Anstieg von 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr knackte die Genossenschaft die Tausendermarke im Bereich Mitgliederzahl, die Geschäftsanteile stiegen auf über 25.000, das Geschäftsguthaben entsprechend auf 2.530.200 Euro, die Höhe der Nachrangdarlehen durch die Mitglieder – das wichtigste Finanzierungsinstrument der EGV – stieg um 66 Prozent auf über neun Millionen Euro. Nach dem Bericht des Aufsichtsrates, der sich insbesondere mit der guten Kommunikation und dem konstruktiven Austausch mit dem Vorstand sowie dessen Prüfung befasste, schlug Kehl im Namen der Führungsgremien vor, aus dem Bilanzgewinn 2020 in Höhe von 182.199 Euro eine Dividende in Höhe von 3 Prozent auszuschütten. Die Versammlung folgte diesem Vorschlag und entlastete Vorstand und Aufsichtsrat.
Im Rahmen der turnusgemäßen Neuwahlen zu einem Teil des Aufsichtsrates wurden Norbert Jäger, Ulrich Künz und Walter Ritz wiedergewählt, neu hinzu kamen Ulrike Seip, Björn Müller, Frank Rechmann und Edwin Schneider. Ausgeschieden aus dem Aufsichtsrat sind Dieter Bock, Ralph Kehl, Stephan Rühl, und Willi Zinnel. Ihnen galt nach der Wahl ein besonderer Dank des Vorstands: Die scheidenden Aufsichtsratsmitglieder hätten in den letzten Jahren viel für die Entwicklung der EGV geleistet, so Vorstandsmitglied Norbert Reinhardt. Sie alle erhielten eine Ehrenurkunde des Genossenschaftsverbandes. Insbesondere würdigte Reinhardt die Leistung des scheidenden Aufsichtsratsvorsitzenden Ralph Kehl. Auch im Vorstand wurde eine Änderung bekanntgegeben: Für den im Lauf des Berichtsjahres ausgeschiedenen Bernd Schmidt wurde Udo Pfeffer im September 2020 in den Vorstand berufen.
Mit ihrem Votum für eine Satzungsänderung stimmte die Versammlung für einen größeren finanziellen Handlungsspielraum im Vorstand und ermöglichte eine breitere digitale Aufstellung der Genossenschaft, speziell mit Blick auf die Mitgliederkommunikation.
Zum Abschluss der Generalversammlung stellte Lorenz Kock sowohl aktuelle Projekte vor als auch Zukunftspläne der EGV. Kock sieht angesichts der steigenden Energiepreise „Dampf auf dem energetischen Kessel“ und damit erst recht Handlungsbedarf der EGV. Kurz vor der Realisierung seien nach vielen Jahren der Planung die Windparks Trillrodt und DreiHerrenStein, so Kock. Mit zwei großen Photovoltaik-Freiflächenanlagen stehe man in Ehringshausen und Neustadt in den Startlöchern. Im Rahmen eines Zukunftsprozesses habe man fünf Entwicklungspunkte erarbeitet, mit denen die EGV ihre Position weiter ausbauen wolle, führte Kock aus: Man wolle die Gebietskulisse aufheben und über den Vogelsberger Tellerrand blicken. Engagements bei Genossenschaften in Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz seien erste Schritte dahin. Man wolle das Investitionsvolumen weiter ausbauen und sowohl für Mitgliederwachstum als auch für Mitarbeiterwachstum sorgen. Darüber hinaus sollten die Geschäftskompetenzen des Vorstands ausgeweitet werden – ein erster Schritt dazu war die erfolgte Satzungsänderung. Zu diesen Plänen gab es verschiedene Rückfragen aus dem Plenum, im Großen und Ganzen aber zeigten sich die anwesenden Genossen zufrieden mit Entwicklung und Plänen ihrer Genossenschaft. Wie sich diese entwickeln wird, bleibt spannend; Lorenz Kock: „Die Leitplanken in der Energiepolitik verändern sich – es gibt neue Chancen aber auch neue Risiken.“