Entwicklung zeigt nach oben, Blick geht nach vorn

Die Generalversammlung der EGV am 23. Mai

Die Freiflächenanlage „Am hohen Rain“ in Ober-Moos ist eines der ersten größeren Projekte der Energiegenossenschaft Vogelsberg eG (EGV). Seit dem Jahr 2013 versorgt die Photovoltaikanlage jährlich 900 Haushalte mit Strom und ist damit ein gutes Beispiel für nachhaltige Energiegewinnung in der Region. Für die Generalversammlung im siebten Jahr ihres Bestehens hatte der Vorstand der EGV sich einen Tagungsort genau hier im südlichen Zipfel des Vogelsbergs ausgesucht: In der Vulkanscheune zwischen Nieder- und Ober-Moos trafen sich am 23. Mai Vorstand, Aufsichtsrat und mehr als hundert Mitglieder, um über Stand, Entwicklung und Aussichten ihrer Genossenschaft zu beraten.

Aufsichtsratsvorsitzender Ralph Kehl

Seit der Gründung der EGV vor nunmehr sieben Jahren hat sich der Schwerpunkt der nachhaltigen Energiegewinnung verlagert. „Weithin sichtbar“ seien die Projekte nun, wie Aufsichtsratsvorsitzender Ralph Kehl mit Blick auf die Windkraftanlagen der EGV in seiner Begrüßung sagte. Bevor Geschäftsführer Günter Mest seinen Bericht zum Geschäftsjahr 2017 abgab, begrüßte Erich Koch, 1. Beigeordneter der Gemeinde Freiensteinau, die Gäste im „Blauen Eck“. Er unterstrich die Bedeutung von erneuerbaren Energien, auch seine Gemeinde stehe dahinter und sei Mitglied in der EGV, so Koch.

Geschäftsführer Günter Mest ging in seinem Geschäftsbericht zunächst auf das Organigramm der Energiegenossenschaft ein. Unter den verschiedenen Tochterunternehmen der EGV, in denen die Projekte verwaltet werden, spielt derzeit die VOBEG Energie GmbH eine bedeutende Rolle, denn sie ist Betreiberin der Windkraftanlage der EGV im Windpark Arnshain/Wahlen. Der Bau dieser Anlage war das Hauptprojekt im Jahr 2017, wie Mest ausführte, da es hier auch nach der Ausstellung des Bewilligungsbescheides noch einige Hürden zu überwinden gegeben hatte. Zunächst störten technische Schwierigkeiten den planmäßigen Ablauf, schließlich tat auch das Sturmtief Frederike im Januar dieses Jahres das Seine dazu: Ein umgestürzter Kran zerstörte und beschädigte zahlreiche Bauteile, was erneut zu einer Verzögerung führte. Seit genau einem Monat ist die Anlage in Arnshain/Wahlen nun am Netz, berichtete Mest und speist dort gemeinsam mit den anderen Anlagen des Parks Strom für 12.000 Haushalte ein. Besonders positiv hob Mest die Finanzierung der Anlage hervor: Das erforderliche Eigenkapital der EGV in Höhe von 1 Million Euro konnte durch Nachrangdarlehen der Mitglieder innerhalb kurzer Zeit aufgebracht werden.

Geschäftsführer Günter Mest

In seinem Bericht ging Mest auf die Gesamtertragslage der Genossenschaft ein. Im Photovoltaikbereich – also in den Freiflächenanlagen in Herbstein und Ober-Moos – gingen die Erträge leicht zurück, geschuldet der geringeren Sonneneinstrahlung als im Vorjahr und dem dunklen Winter. Das erste volle Geschäftsjahr der Windkraftanlage der EGV im Kommunalwald Kirtorf brachte einen guten Ertrag mit einem Überschuss von knapp 130.000 Euro, berichtete Mest, der in diesem Jahr, das sich bisher zumindest sowohl sonnen- als auch windreicher zeigt, sowohl im PV- als auch im Windkraftbereich mit besseren Erträgen rechnet.

Insgesamt zeichnete der Geschäftsführer ein deutlich positives Bild der Entwicklung der EGV: Sowohl die Anzahl der Mitglieder als auch die Anzahl der Geschäftsanteile und die Anzahl der Nachrangdarlehen sind im Jahr 2017 gestiegen. Zum Ende des Berichtsjahres hatte die EGV 652 Mitglieder. Die Energieproduktion sowie die erzielte Einspeisevergütung sind – aufgrund der Leistung der Windkraftanlage – im Jahr 2017 stark angestiegen: mehr als 22 Mio kW/h an Energie und knapp 2,4 Millionen Euro an Ertrag wies die Bilanz der EGV und der Tochterunternehmen auf, die Mest den Genossen präsentierte, aus. Die Bilanzsumme zeigte sich um 13% höher als im Vorjahr; mit einem Jahresüberschuss von fast 90.000 Euro konnte sich die EGV über das zweitbeste Ergebnis ihrer Geschichte freuen. Davon profitieren natürlich auch sie Genossen: Für die Nachrangdarlehen für das Jahr 2017 zahlte die EGV ihnen mehr als 180.000 Euro an Zinsen aus und kann eine Dividende von 45.000 Euro ausschütten – eine Steigerung von mehr als 60%, wie Mest darlegte. Er schlug der Versammlung eine Dividendenzahlung von 3% vor, ein Angebot, das Ralph Kehl nach seinem Aufsichtsratsbericht gerne aufgriff.

Hierin würdigte er zunächst die Leistung des Vorstands und betonte, dass sowohl der Aufsichtsrat als auch ein eingesetzter Prüfungsausschuss diesem tadellose Arbeit bestätigen könnten. Im Anschluss gab er die Ergebnisse der gesetzlichen Prüfung des Jahresabschlusses 2016 durch den Genossenschaftsverband bekannt. Auch hier stellt sich die Lage der EGV als geordnet dar.

Der Jahresabschluss 2017 belief sich nach Darstellung des Geschäftsführers Günter Mest auf eine Bilanzsumme von 10.658.107 Euro und einen Bilanzgewinn von knapp 136.000 Euro. Zur Abstimmung stand folgender Vorschlag. Von dem Bilanzgewinn gehen satzungsgemäß je 26.000 Euro in die gesetzlichen und in die anderen Rücklagen, ausgeschüttet als Dividende werden knapp 45.000 Euro, der Rest geht in den Gewinnvortrag. Diesem Vorschlag folgte die Versammlung einstimmig und entlastete Vorstand und Aufsichtsrat.

In jedem Jahr scheiden turnusgemäß fünf Mitglieder aus dem Aufsichtsrat aus. Alle in dieser Periode scheidenden Mitglieder stellten sich unter der Wahlleitung von Vorstandsmitglied Norbert Reinhardt zur Wiederwahl und erhielten von der Versammlung neue Mandate. In diesem Jahre waren dies Norbert Jäger, Ulrich Künz, Walter Ritz, Stephan Rühl und Willi Zinnel.

Der amtierende Aufsichtsrat der EGV (v.l.n.r.): Dieter Bock., Ulrich Künz, Hans-Gerhard Gatzweiler, Lothar Bott, Norbert Jäger, Walter Ritz, Ralph Kehl, Willi Zinnel., Norbert Lautenschläger, Dr. Birgit Richtberg, Martin Hank, Dirk Eschenröder. Es fehlen: Rüdiger Rausch, Thomas Groll, Stephan Rühl.

Nach all den Formalien blickte Vorstandsmitglied Lorenz Kock mit den Genossen noch ein wenig in die Zukunft und lud zum regen Austausch über neue Betätigungsfelder der EGV ein. Den Klimawandel und den von Menschen verschuldeten Anteil daran werde man nicht weg reden können, so Kock. Das Energieeinspeisegesetz habe seinen Zenit zwar gesehen, allerdings erfordere der geplante Ausstieg aus der Atomenergie neue Gedanken und Ansätze. Mit Blick auf die Aktivitäten der EGV gab Kock zu bedenken, dass potenzielle Projekte nicht mehr so zahlreich seien wie sie einmal waren. Er forderte daher auch die Genossenschaftsmitglieder auf, Augen und Ohren offenzuhalten, wenn es freie Flächen und Planungen in ihrem Umfeld, gerne auch über die Grenzen des Vogelsberges hinaus, gebe. Ebenso appellierte er an die Anwesenden, neue, junge Mitglieder zu werben: „1% der Vogelsberger Bevölkerung, also 1000 Mitglieder, hätten wir schon sehr gerne“, so der Tenor. „Der Prozess der Energiewende ist ein langsamer“, konstatierte Kock, der eine Diskussion um mögliche neue Aufgaben anregte. Als Stichworte kamen Stromselbstvermarktung, Investitionen in moderne Speichertechnologie, Unterstützung von Nahwärmenetzen, Auseinandersetzung mit Wasserstofftechnologie oder der Einstieg in intelligente Stromnetze. Welche Bereiche die EGV in Zukunft fokussieren wird, ist noch unklar und hängt von der Entwicklung auf dem gesamten Feld und Markt der erneuerbaren Energien ab. Dass die EGV sich in der Zukunft breiter aufstellen muss, daran gibt es jedoch keinen Zweifel.

Bereit für neue Ideen in der EGV ist der Vorstand: Norbert Reinhardt, Lorenz Kock, Bernd Schmidt und Günter Mest (v.l.n.r.).

Text und Bilder: Traudi Schlitt / Mai 2018